Die Grafen & Freiherren

 

v. Ledebur

 

 

Kurzreferat bei der oMV 2004 der VdA HH/SH mit anschließender Diskussion

 

Adel 2004 bis ...............

Aussichten – Einsichten? – Absichten – inklusive Aus!-sichten

 

So heißt mein Thema in der offiziellen Einladung.

 

In dem freundlichen Begleitschreiben unseres Vorsitzenden heißt es dann noch weiter, der Vortrag solle eine provokativ vorgetragene Gegenwartsanalyse sein und zu lebhafter Diskussion anregen. Ich hoffe, daß es mit Ihrer Hilfe dazu kommt.

 

Provokativ ist ja schon die Unterzeile des offiziellen Themas, wenn dort etwas von Aus!-sichten steht. Provozieren sollte uns aber auch die vernommene Klage, unsere Vereinigung sei „nicht adlig genug“.

 

Zum Thema: Der Adel ist nicht abgeschafft. Man kann den Adel gar nicht abschaffen. Adel ist eine Geisteshaltung, die wir vernachlässigen können, die aber andere nicht in uns abschaffen können. Auch die Weimarer Verfassung hat nur „die öffentlich-rechtlichen Vorrechte oder Nachteile der Geburt oder des Standes aufgehoben. (wo es dann weiter heißt:) Adelsbezeichnungen gelten nur als Teil des Namens und dürfen nicht mehr verliehen werden.“ Interessant ist hier, daß in Deutschland das ererbte „von“ und der Adelstitel in der Verfassung bestätigt werden, aber jede Vermehrung des Adels durch neue Verleihungen verboten ist. Frage: Ist eine Adoption in eine Familie mit Adelstitel nicht doch eine staatliche Vergabe eines Adelstitels auch wenn er nur als Namensbestandteil gilt? Ein unerwünschter Effekt! Der Adel sollte aussterben, sanft verschwinden. Und heute, 2004?

 

Das Grundgesetz hat die Regelung der Weimarer Verfassung übernommen und bestätigt. Der rechtliche Status in Deutschland ist also der, daß das Adelsprädikat „von“ und die Titel erbliche Namensbestandteile sind. – In Österreich ging die republikanische Verfassung radikaler mit dem Adel um. Dort wurde den Adligen verboten, ihre Adelstitel zu verwenden. Unsere österreichischen Vettern und Cousinen setzen ihre Titel seitdem nicht in den Briefkopf oder in den Absenderstempel. Es ist aber niemandem –auch keinem Österreicher- verboten, den Adelstitel im Umgang mit Freunden und Verwandten in Adresse oder Anrede wie früher gewohnt wieder hinzuzufügen, außer bei sich selbst.

 

Die Titel sind auch bei uns nicht mehr geschützt. Es ist ohnehin nicht jedes „von“ ein Adelsprädikat, und wenn sich Jürgen von der Lippe, Helga von Sinnen oder Rosa von Praunhein einen adlig klingenden Namen zulegen, greift keine Ordnungsbehörde ein. Prominente Träger eines bürgerlichen Namens mit „von“ sind z.B. auch Herr v. Lehsten, Herr von Essen.

 

Aus den Regelungen der Weimarer Verfassung ergibt sich, daß sich der Adel nur nach den bis 1918 bestehenden Regeln definieren kann. Diese Regeln, das Adelsrecht, sind Vereinsrecht der VdA geworden, das auch durch das Adelsarchiv in Marburg die Zugangsberechtigung kontrolliert. Damit ist das Genealogische Handbuch des Adels, der Nachfolger des sog, Gotha, zur Matrikel geworden. Auskunft, ob eine Person zum Adel gehört, gibt das Handbuch, nicht das Standesamtliche oder die Paßbehörde.

 

Aus dem Nebeneinander von „adligem von [= v.]“ und „bürgerlichem von“ergeben sich ein paar gesellschaftliche Differenzierungen, die auch innerhalb des Adels zu Fragen und Unsicherheiten Anlaß geben. Das preußische Parlament hat zur Unterscheidung zwischen dem bürgerlichen „von“ (das vor allem im Nordwesten unseres Landes gar nicht selten ist) und dem Adelsprädikat die Regel eingeführt, daß das Adelsprädikat als „v.“ abgekürzt werden soll. An diese Regel hält sich die VdA, an diese Regel hält sich das GHdA. Wir sollten uns alle daran halten, um zwischen Adel und Scheinadel zu unterscheiden.

 

Stilfragen: „Freiherr von Ledebur“ ist mein offizieller Nachname; der Vorname gehört im Behördenverkehr vor den Nachnamen. Auf dem Briefumschlag der Behörde wird daher „Herrn Gerhard Freiherr von Ledebur“ erscheinen. Nach Etikette innerhalb des Adels ist aber Freiherr oder Graf schon die Anrede, und das „Herr“ vor dem Vornamen ist eine Verdopplung. Im gesellschaftlichen Umgang beim Privatbrief, wie bei der Einladung zum Adelsball, wird man also „Freiherrn Gerhard v. Ledebur“ schreiben und vielleicht noch S.H. davorsetzen. Wenn weitere Titel zu berücksichtigen sind, z.B. Dr., Dipl.-Ing., Oberst usw. wenden wir eben genannte gesellschaftliche Regel allerdings nicht an. Dann ist wieder „Herr-Titel-Vorname-Adelsbezeichnung-Nachname“ richtig, vorneweg ggf das S.H.

 

Bei den Damen gelten die gleichen Regeln. Zu beachten ist, daß das I.H. jeder adligen Dame zusteht, auch wenn sie bürgerlich geboren ist und die Zugehörigkeit zum Adel erst durch die Eheschließung erworben hat.

 

Die Standesämter sind übrigens schon in der Weimarer Republik angewiesen worden, die Adelstitel in der jeweils geschlechtsspezifischen Form einzutragen: Graf, Gräfin, Freiherr, Freifrau, Freiin. – Die Bezeichnung „Fräulein“ ist fast gänzlich aus dem deutschen Sprachgebrauch verschwunden. Eine Freiin bleibt aber eine Freiin, es sei denn sie heiratet. Die Behörde wird Frau Erika Freiin v. Ledebur schreiben, hat sie den Dr. Titel, schreiben auch wir wie die Behörde:„Frau Dr. Erika Freiin v. Ledebur“.

 

Baron und Freiherr sind ranggleich. Ob einer Freiherr oder Baron ist, steht im Adelsbrief der betreffenden Familie und im GHdA. In der gesellschaftlichen Anrede wird man aber statt des Freiherrntitel im allgemeinen Baron und Baronin verwenden, wenn nicht –besonders im Norden Deutschlands- „Herr v. Ledebur“ passender ist.

 

Weitergabe des Familiennamens: Der Adel definiert die Familie über die legale Abstammung im Mannesstamm, wie das auch sonst in Deutschland die allgemeine Regel war. Bei der Eheschließung tritt die junge Frau zur Familie  -vielleicht sollte ich jetzt statt Familie Sippe sagen- also zur Sippe ihres Mannes. Von nun an gehört sie zu seinem Stand. Ist der Ehemann bürgerlich, wird die adlig geborene Braut auch bürgerlich, so wie die bürgerlich geborene Braut bei Heirat mit einem Adligen uneingeschränkt adlig wird.

 

Diese Regel gilt auch dann, wenn unsere Töchter bei der Eheschließung ihren Mädchennamen beibehalten. Welchen Namen das junge Paar nach heutigem Namensrecht unter den vielen Möglichkeiten auch rechtmäßig wählt: Es kommt keine adelsrechtlich akzeptierte Aufnahme in die Sippe des Vaters der Braut zustande.

 

Adoptionen führten auch in monarchischer Zeit nicht zum Anschluß an den Adel der Adoptiveltern. Sollten durch Adoption der Familienname und eine adlige Besitzfolge erreicht werden, mußte der Monarch als Gnadenakt diesen Rechtsvorgang bestätigen. Auch dann entstand übrigens eine neue Sippe mit neuem Adel.

 

Adel mußte vom Monarchen verliehen oder bestätigt werden. „Automatisch“ adlig wurde man nur durch Geburt oder als Frau durch Heirat mit einem adligen Mann.

 

Da es in Deutschland keine regierenden Fürsten mehr gibt, gibt es auch keinen mehr, der in den Adel erheben kann.

 

Die Zugehörigkeit zum historischen Adel ist heute allein durch lückenlose eheliche Abstammung in männlicher Linie von einem Vorfahren gegeben, der in der Zeit der Monarchie als zum Adel gehörig anerkannt war.

 

Es ist damit klar, daß alle anderen Formen der Weitergabe eines Namens mit Adelsprädikaten nicht als Adel im Sinne des historischen Adels angesehen werden können. Keine Adoption, kein Beibehalten des adligen Mädchennamens hilft aus dieser Lage, erst recht natürlich nicht die Weitergabe des Mädchennamens an den Ehemann.

 

Das gültige Namensrecht wird dadurch nicht ausgehebelt. Wer seinen Namen auf eine der neuen Arten erworben hat, trägt ihn zu Recht. Nur gehört er eben nicht zum historischen Adel.

 

Wie gehen wir damit im Alltag um? Im zwischenmenschlichen Bereich hat die Frage nach Zugehörigkeit oder Nichtzugehörigkeit keine große Bedeutung. Wir verkehren mit den Mitmenschen nach Anstandsregeln und Charaktereigenschaften, nicht nach Namen. Der Vorsitzende einer Adelsvereinigung wird aber bei der Organisation einer Veranstaltung des Adels zwar ohne Probleme einzelne Gäste mit bürgerlichem Namen einladen und begrüßen. Bei der Überlegung, zu einer solchen Veranstaltung einen Bürgerlichen mit adlig klingendem Namen einzuladen, wird er aber eher zum NEIN als zum JA kommen, um einer unwillkommenen Entwicklung zu solchem selbsternanntem Adel nicht Vorschub zu leisten.

 

Aus!-sichten 2004. Die Zahl derer, die sich einen adlig klingenden Namen beschaffen, wird wohl noch steigen. Wie stark sie steigt, muß die Zeit zeigen. Wir können wahrscheinlich wenig zur Eindämmung beitragen, außer unseren Töchtern und Schwiegersöhnen klarzumachen, daß sie sich in eine schiefe Lage bringen durch den Anschein eines adligen Namens, mit dem sie sich von der Mehrheit der Deutschen abheben wollen, ohne aber von denen als adlig anerkannt zu werden, deren Namen sie tragen. Der historische Adel wird dadurch nicht angegriffen. Die Scheinadligen gehören eben nicht dazu.

 

Der Unterschied soll im täglichen Miteinander allerdings nicht zur Trennlinie werden, denn oft genug sind es ja unsere Vettern und Cousinen, die sich auf diesen traditionswidrigen Weg begeben haben. Sie bleiben ja unsere Verwandten. Nur sind sie eben bürgerlich, was ja beileibe nichts Schlimmes ist.

 

Mit dieser Bemerkung bin ich fast am Schluß meines Referats, dessen Schwerpunkt sich aus dem mir von Ihnen gegebenen Auftrag als Ihr Vertreter im Adelsrechtsausschuß und für genealogische Fragen ergibt. Über den Sinn des Adels oder seinen Auftrag haben Sie in den vergangenen Jahren von dieser Stelle gute Worte gehört. Ich schließe an sie insofern an, als auch ich weiß, daß alle Abstammung aus adliger Familie nichts wert ist, wenn wir nicht die Werte leben, die einst der Maßstab für die Aufnahme in den Adelsstand waren, als Adel noch verliehen wurde.

 

Die Hauptaufgabe des Adels war (und ich bin überzeugt: ist noch heute), dem Gemeinwohl unseres Landes und unserer Mitbürger zu dienen. Daß es dafür viele Möglichkeiten gibt, für jeden von uns, auch ohne Amt und öffentlichen Auftrag, allein durch Prinzipientreue, Ehrlichkeit, Uneigennützigkeit ist vielfach ausgeführt worden. Daß das auch andere tun, viele Bürgerliche, mindert unseren Auftrag nicht.                              G. Frhr v. Ledebur